
Wegweisende Entscheidungshilfe zur Krautfäulebekämpfung im Ökologischen Kartoffelanbau
EIN ARTIKEL VON BERNHARD BUNDSCHUH (LTZ)
Im ökologischen Kartoffelanbau führt die Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) immer wieder zu erheblichen Ertragsverlusten. Durch pflanzenbauliche Maßnahmen wie Sortenwahl, frühe Pflanzung, Vorkeimen der Knollen sowie ein ausreichendes Nährstoffangebot kann der Befall zwar hinausgezögert werden, häufig ist jedoch der Einsatz von Kupfer erforderlich, um die gesunde Blattmasse zu schützen. Für Ökolandwirte war die Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule im Kartoffelanbau unter diesem Aspekt im Anbaujahr 2024 eine ganz besondere Herausforderung. Im Rückblick liegt ein Jahr hinter ihnen in dem der ökologische Anbau von Kartoffeln kaum qualitativ hochwertiges Erntegut aus den Böden holen konnte. Denn witterungsbedingt sorgte die Kraut- und Knollenfäulnis für ganz empfindliche Verluste.
In Deutschland dürfen nach EU-Öko-Verordnung maximal 6 kg/ha Reinkupfer ausgebracht werden. Die Öko-Anbauverbände verbieten den Kupfereinsatz oder erlauben den Einsatz von maximal 3 kg/ha. Vor diesem Hintergrund sowie der aktuellen Diskussion zur Reduktion von Kupfer ist der verantwortungsvolle Einsatz von Kupfer von besonderer Bedeutung.
Aus diesem Grund wurde basierend auf den von der ZEPP entwickelten Prognosemodellen SIMPHYT1 und SIMPHYT3 für den ökologischen Kartoffelanbau das Prognosesystem Öko-SIMPHYT entwickelt. Mit Öko-SIMPHYT wird eine wetterbasierte Bekämpfungsstrategie gegen die Krautfäule (Phytophthora infestans) mittels kupferhaltigen Fungiziden empfohlen. SIMPHYT1 gibt eine Empfehlung für die erste Behandlung, SIMPHYT3 empfiehlt auf Basis des witterungsabhängigen Infektionsdrucks den Behandlungsabstand und die Aufwandmenge.
Definiertes Ziel von Öko-SIMPHYT ist, in Jahren mit geringem Krautfäuledruck die Anzahl Behandlungen und die Aufwandmenge gezielt zu reduzieren und Spritzpausen zu empfehlen. In Jahren mit hohem Krankheitsdruck soll - basierend auf der maximal zulässigen Aufwandmenge (3 kg/ha Reinkupfer entsprechend Bioland-Richtlinien) - die beste fungizide Wirkung erreicht werden.
Das Entscheidungshilfesystem prognostiziert in einem ersten Schritt die Entwicklung der Kartoffelpflanze (Ontogenese) in Abhängigkeit von der Temperatursumme und der Niederschlagssumme ab dem Pflanzen. Darauf aufbauend wird in einem zweiten Schritt die Stickstoffdynamik in der Kartoffelpflanze simuliert. Beide Modelle stehen kostenneutral und online unter www.isip.de zur Verfügung.
Welche Möglichkeiten gibt es dem entgegenzusteuern?
Pflanzzeit und Krankheitsdruck machen Anpassungen unumgänglich.
Viele Anbauflächen kamen vollkommen wassergesättigt aus dem Winter was miserable Pflanzbedingungen im Frühjahr 2024 zur Folge hatte. Regional war eine ordnungsgemäße Flächenbewirtschaftung lange unmöglich. Die Pflanzung verschob sich dadurch in einigen Regionen deutlich nach hinten.
Infolge der extremen Wetterbedingungen, verzögerte aber nicht nur die Pflanzzeit. Denn wer diese Hürde einigermaßen überwinden konnte sah sich im weiteren Vegetationsverlauf einem unverhältnismäßig hohen Infektionsdruck durch Krautfäule gegenübergestellt. Der Krautfäuledruck war im Bio-Anbau in 2024 - ähnlich wie schon in 2021 - kaum zu kontrollieren. Infolge dessen explodierte der Krautfäulebefall in vielen Ökoflächen nahezu exponentiell. Hoher Krankheitsdruck über die gesamte Anbausaison hinweg verlangte nahezu unmöglichen Einsatz. Durch die stets wüchsige und feuchte Witterung konnten sich der pilzlichen Erreger Phytophthora solani und auch Alternaria infestans verstärkt ausbreiten.
Durch die überdurchschnittlichen Niederschläge mit vielen Regenereignissen von Mai bis Anfang September hielt sich in diesem Zeitraum der Krautfäuledruck fast ununterbrochen auf hohem bis sehr hohem Niveau. Vor allem die hohen Niederschläge im Mai und Anfang Juni führten zu einem frühen Phytophthora-Primärbefall. Ab Mitte Juli war eine explosionsartiger Krautfäulebefall in den unbehandelten Monitoringflächen festzustellen. Dabei wurden Phytophthora-Sporen fast ununterbrochen über die gesamte Vegetation verbreitet und Krautfäule konnte großflächig und sehr rasant ausbreiten was den Ökoanbau weit an seine Grenzen führte.
In einigen Regionen herrschte stets sehr hoher Krautfäuledruck. Ein vermehrter Einsatz von Kupfer war die Folge. Zehn und mehr Durchfahrten waren keine Seltenheit, um Krankheitseinbrüche einigermaßen zu unterbinden, Befall abzustoppen und gesunde Bestände längst möglich zu erhalten. Wie wichtig der richtige Einsatzzeitpunkt von potenten Pflanzenschutzmitteln ist, hat sich im Anbaujahr 2024 offenbart. Zusätzlich bestätigt sich auch wie wichtig es ist sich auf verändernde Witterungs- und Klimabedingungen einzustellen und ggf. entscheidende Anpassungen vorzunehmen.
Damit Kupfer dem ökologischen Anbau noch möglichst lange erhalten bleibt ermöglicht das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg auch den Öko-Anbauern den kostenfreien Einsatz von ISIP-Entscheidungshilfesystemen mit deren Hilfe die anbauende Praxis noch besser in die Lage versetzt werden soll, den zielorientierten Kupfereinsatz mit modernen Hilfsmitteln besser zu steuern

Was liegt den Prognosesystemen zu Grunde?
Öko-SIMPHYT ist ein schlagspezifisches Entscheidungshilfesystem für den ökologischen Landbau auf Basis von SIMPHYT1
und SIMPHYT3 und dient der Terminierung der Kupferspritzungen und der Auswahl der Kupferaufwandmenge und wurde speziell
für den Einsatz im ökologischen Landbau programmiert. Ziel ist es durch den Einsatz dieses Modells, einen
wichtigen Beitrag zur Optimierung des Kupfereinsatzes zu leisten. Zielorientierte, nachhaltig wirkende Spritzungen gegen Kraut- und
Knollenfäule sind die Frage des optimalen Einsatztermins und einer optimierten Ausbringmenge.
Die Entscheidungshilfe setzt sich aus 2 Systemen zusammen und prognostiziert in einem ersten Schritt die Entwicklung der Kartoffelpflanze (Ontogenese) in Abhängigkeit von der Temperatursumme und der Niederschlagssumme ab dem Pflanzen. Darauf aufbauend wird in einem zweiten Schritt die Stickstoffdynamik in der Kartoffelpflanze simuliert. Beide Modelle stehen kostenneutral und online unter www.isip.de zur Verfügung.
Öko-SIMPHYT - unterstützt die ökologische Anbaupraxis bei der Terminierung des Kupfereinsatzes mit dem Ziel der Optimierung und Reduzierung der Gesamtkupfermenge. Mit diesem Entscheidungshilfesystem wird der anbauenden Praxis wie der Beratung eine wetterbasierte Bekämpfungsstrategie gegen die Krautfäule (Phytophthora infestans) mittels kupferhaltiger Fungizide basierend auf SIMPHYT1 und 3 zur Verfügung gestellt, deren Einsatz als Entscheidungshilfe empfohlen. Der Spritzabstand, die Spritzmenge sowie die Möglichkeit einer Spritzpause werden vom Modell berechnet. Auf der Basis der witterungsbedingten Epidemiebewertung von Öko-SYMPHYT kann die Kupfermenge auf das absolut notwendige Maß begrenzt werden. Ziel dabei ist es, die Bekämpfung der Phytophthora zu optimieren um gleichzeitig den Einsatz kupferhaltiger Fungizide zu minimieren. Durch die Reduktion und die Optimierung des Kupfereinsatzes kann die Nachhaltigkeit der Produktion wesentlich verbessert werden.
Öko-SIMPHYT+ - simuliert die Stickstoffaufnahme in das Kraut und in die Knollen und empfiehlt auf dieser Grundlage einen taggenauen Abschlusstermin zum der Kupferapplikationen. Dieses Entscheidungshilfesystem ist eine Erweiterung von Öko-SIMPHYT, und berechnet den optimalen Spritzbeginn, die Terminierung der Folgeapplikationen und Kupferaufwandmengen zur Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) im ökologischen Anbau. Die erweiterte Version simuliert die Stickstoffaufnahme in das Kraut und in die Knollen der Kartoffelpflanzen und empfiehlt auf dieser Grundlage einen Termin zum Abschluss der Kupferapplikationen, sodass eine zusätzliche Reduktion des Kupfereinsatzes ermöglicht wird.
Was können die Systeme leisten?
Vorweg - Beides sind weiter- und praxisgerecht entwickelte KI-Entscheidungshilfesysteme für den Pflanzenschutz. Das heißt, dass die Entscheidung für oder gegen eine Durchführung von Pflanzenschutzmittelmaßnahmen der Anbauer nach wie vor selbst treffen muss. Die rechnergestützten Systeme liefern dafür – und das in beide Richtungen - eine hervorragende Ausgangsposition um solche weitreichenden Entscheidungen guten Gewissens und viel Fingerspitzengefühl treffen zu können. Damit brauchen wir keine Dritte – Wir entscheiden mit Hilfe der Prognose selbst über die Notwendigkeit oder den Verzicht des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln!
Im Detail - Berechnung des Spritzstarts und in der Folge auf den Tag genau den Behandlungsabstand bei der Krautfäulebekämpfung im ökologischen Anbau
Öko-SIMPHYT berechnet auf Basis von stündlichen Wetterdaten und schlagspezifischen Eingaben einen Infektionsdruck den Epidemiestart der Krautfäule der Kartoffel (Phytophthora infestans). Aus dem Infektionsdruck werden der Behandlungsabstand und eine Aufwandmenge Reinkupfer abgeleitet. Als Wetterparameter werden von Öko-SIMPHYT Temperatur, relative Luftfeuchtigkeit sowie Niederschlag benötigt. Ziel dabei ist es, den optimalen Tag für den Behandlungsbeginn prognostisch zu ermitteln um damit eine Epidemie im Bestand zu verhindern.
Das Datum des Behandlungsbeginns, der Behandlungsabstand in Tagen, die empfohlene Aufwandmenge Reinkupfer in g/ha, sowie die Möglichkeit einer Spritzpause bei ungünstigen Infektionsbedingungen für Krautfäule werden vom System empfohlen.
Zunächst wird das Datum des Behandlungsbeginns mit einem prognostischen Vorlauf von 8 Tagen empfohlen. Bis dahin steht im Text: Behandlungsbeginn "noch nicht". Zum Datum des Behandlungsbeginns sollten die Behandlungen spätestens begonnen werden. Das Modell empfiehlt dann einen Behandlungsabstand (4, 6, 8, 10, 12 Tage oder Spritzpause bei längeren Trockenperioden) und die Aufwandmenge Reinkupfer (500, 350, 250 g Cu/ha). Der Behandlungsabstand basiert auf dem aus stündlichen Wetterdaten errechneten Infektionsdruck und schlagspezifischen Eingaben und bezieht sich auf das Datum der letzten Spritzung. Die Aufwandmenge Reinkupfer muss am Tag der Applikation aus dem Modell abgelesen werden. Nach einer Behandlung ist mindestens 4 Tage keine weitere Behandlung nötig.
Durch die Eingaben zu Niederschlag und Krautwachstum kann sich der Behandlungsabstand um bis zu 1 Tag verlängern bzw. um bis zu 3 Tagen verkürzen. Die Möglichkeit einer Spritzpause wird bei andauernden ungünstigen Krautfäulebedingungen empfohlen.
Die Berechnung erfolgt in Abhängigkeit von bestimmten Witterungsbedingungen (Temperatur, Niederschlag und relative Luftfeuchte) sowie der Bodenfeuchte. Das Modell kann im Zeitraum ab der Pflanzung bis 7 Tage nach Auflauf auch besonders hohe Bodenfeuchte berücksichtigen. Ziel ist die Prognose der “frühen Stängelphytophthora”.
Versuchsergebnisse
- Das u.a. Donaueschinger Ergebnis verdeutlicht einmal mehr, dass das Prognosesystem Öko-SIMPHYT als wichtige, schlagspezifische Entscheidungshilfe zur gezielten Terminierung von Kupferpräparaten gegen die Kraut- und Knollenfäule geradezu prädestiniert ist, den Kupfereinsatz gezielt zu steuern um die Gesamtmenge zu reduzieren. Aufgrund des infektionsdruckbasierenden Spritzabstandes wurde die Bekämpfung der Phytophthora in der Versuchsreihe optimiert und der Einsatz kupferhaltiger Fungizide - ohne Wirkungsverlust - minimiert.
Auch in bundesweiten Versuchsergebnissen brachten die Tests von Öko-SIMPHYT an 18 Standorten in insgesamt 49 praxisnahen Versuchen ähnliche Ergebnisse. Als Kupferfungizid wurde CUPROZIN flüssig eingesetzt, welches in Vorversuchen die beste Regenfestigkeit aufwies. Dabei zeigte sich, dass durch die Nutzung von Öko-SIMPHYT im Vergleich zu einer wöchentlichen Routinebehandlung mit 500 g/ha Reinkupfer durchschnittlich 0,6 Behandlungen und 535 g/ha Reinkupfer eingespart werden konnten. In einigen Fällen lag die Einsparung bei bis zu 1,0 kg/ha Kupfer. Der Wirkungsgrad der Kupferbehandlung im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle lag im Mittel bei 40%.
Welche Daten braucht die Prognose um Ergebnisse zu generieren?
Benötigte Schlagdaten:
- Schlagname
- Geographische Koordinaten des Schlages (Eingabe von Längen- und Breitengrad oder Auswahl des Schlages durch Klick in den Kartenausschnitt)
- Angabe, ob der Schlag im Zeitraum von der Pflanzung bis 7 Tage nach Auflauf an mindestens 4 aufeinander folgenden Tagen nicht befahrbar war
- Auflaufdatum: Datum, nach dem min. 80% der Pflanzen aufgelaufen sind
- Anbaudichte: Anteil der Kartoffelfelder in der Region
Modellergebnisse - Output:
- Behandlungsbeginn: Prognostizierter Behandlungsbeginn
- Phytophthora-Index: Risiko für Phytophthora-Erstauftreten (100 = Behandlungsbeginn)
Fazit :
Die Nutzung von Öko-SIMPHYT ist - Dank des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg - kostenfrei. Nach der Anmeldung und Registrierung im System unter www.isip.de steht dem Anwenderkreis ein praxisgerechtes Entscheidungshilfesystem für den ökologischen Anbau von Kartoffeln zur Verfügung.
Öko-SIMPHYT unterstützt die ökologische Anbaupraxis bei der Terminierung des Kupfereinsatzes mit dem Ziel der Optimierung und Reduzierung der Gesamtkupfermenge. Öko-SIMPHYT+ simuliert die Stickstoffaufnahme in das Kraut und in die Knollen und empfiehlt auf dieser Grundlage einen taggenauen Abschlusstermin der Kupferapplikationen. Beide Systeme stehen für eine schlagspezifische, wetterbasierte Bekämpfungsstrategie gegen die Krautfäule mittels kupferhaltigen Fungiziden. Damit sind die Modelle geradezu prädestiniert dazu, die Terminierung zum Einsatz von Kupferpräparaten gegen die Kraut- und Knollenfäule zu optimieren und auf Basis des vorherrschenden Infektionsdruckes gezielt zu steuern.
Öko-SIMPHYT gibt eine Empfehlung für die erste Behandlung. In Folge dessen empfiehlt das System auf Basis des witterungsabhängigen Infektionsdrucks den Behandlungsabstand (4-12 Tage), die Aufwandmenge (250, 350 und 500g/ha) und signalisiert Zeiträume in denen Spritzpausen aufgrund von Trockenperioden möglich sind. Durch die Nutzung Öko-SIMPHYT kann von der gängigen, wöchentlichen Routinebehandlung mit durchschnittlich 500 g/ha Reinkupfer abgesehen werden. Ein routinierter Einsatz des Systems ermöglicht deutliche Einsparungen im Hinblick auf die Gesamtmenge an Reinkupfer. Denn der infektionsdruckbasierende Spritzabstand hilft die zeitliche Abfolge der Bekämpfung der Phytophthora im ökologischen Anbau zu optimieren um im gleichen Zuge den Einsatz kupferhaltiger Fungizide zu minimieren.