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Bild von Kartoffelkäferlarve am Blatt mit ISP-Startseitenbanner

Zielorientierte Kartoffelkäferbekämpfung im Bioanbau

Der Kartoffelkäfer ist einer der wichtigsten tierischen Schädlinge im Kartoffelbau. Wie in einigen Vorjahren wurde die Entwicklung des Schädlings auch im vergangenen Winter durch die vergleichsweise milden Temperaturen begünstigt. Auch heuer ist also damit zu rechnen, dass der Kartoffelkäfer überregional verstärkt auftritt. In Ergänzung zu den genannten klimatischen Voraussetzungen liefern nach der Ernte auf dem Feld verbliebene Kartoffeln einen guten Nährboden für die Entwicklung von Kartoffelkäfern. Temperaturbedingt nicht ausreichend abgefrorene Knollen laufen jetzt als Durchwuchskartoffeln in den nachfolgenden Kulturen auf und sind so Ausgangspunkt für einen enormen Schädlingsdruck. Denn unter solchen Bedingungen können sich die Käfer ungestört entwickeln und die Kulturbestände die in der Nähe solcher Flächen stehen angreifen.

 

Lebensweise und Fortentwicklung

Wir wissen heute, dass manche Käfer bis zu zwei Jahre leben können und dass Weibchen die Fähigkeit haben, innerhalb von zwei Monaten bis zu 600 Eier auf verschiedenen Pflanzen abzulegen. Der wärmeliebende Käfer wird durch ein zeitiges und warmes Frühjahr, warme Sommer sowie spätreifende Sorten gefördert. Im Mai/Juni fliegen die ersten Käfer in den Bestand ein. Zu diesem Zeitpunkt findet man die Käfer hauptsächlich in Kleingärten oder auf vorjährigen Kartoffelschlägen. Die ersten Eier werden meist am Feldrand, an geschwächten Einzelpflanzen oder am Rand von Lücken im Bestand abgelegt. Je nach Temperatur schlüpfen aus diesen Gelegen bereits 10-14 Tage später die ersten Larven, die innerhalb von drei Wochen vier unterschiedliche Larvenstadien durchlaufen. Vor allem in Jahren mit einem langen, warmen Herbst ist die Bildung einer 2. Generation durchaus möglich. Da die Entwicklung vom Ei bis zum Käfer nur etwa 40-60 Tage dauert, kann der gesamte Entwicklungszyklus noch im selben Jahr wieder von vorne beginnen, was in vielen Regionen in den Jahren 2018 und 2019 tatsächlich der Fall war. 

Anbautechnische Maßnahmen

Zur Verhinderung von Durchwuchskartoffeln sind eine verlustarme Ernte sowie Bodenbearbeitungsmaßnahmen die die Kartoffeln möglichst in der oberen Bodenschicht belassen (z.B. mit dem Grubber), wichtig. Ein in der Regel der Kartoffel folgendes Wintergetreide sollte möglichst flach und möglichst nichtwendend bestellt werden. Nur ein strenger Winter mit tiefem Bodenfrost kann die im Boden verbliebenen Knollen abtöten. Bis eine Knolle tatsächlich sicher erfroren ist werden rund 50 „Frostgradstunden“ benötigt. Leider haben die Fröste der vergangenen Winter nicht ausgereicht, um die im Vorjahr im Feld verbliebenen Knollen komplett abzutöten.

 

Grundsätzlich vor jeder Behandlung Bekämpfungsrichtwerte beachten

Wenn bei der Käferbekämpfung insgesamt auch nur mit einer Anwendung im Jahr gerechnet wird, sollten die Mittel zwischen den Jahren gewechselt werden, denn ein konsequenter Wechsel zwischen den Wirkstoffen reduziert den Selektionsdruck erheblich. Wird mit den Wirkstoffen achtlos umgegangen, ist es mit Sicherheit nur eine Frage der Zeit, bis die robusten Kartoffelkäfer und Larven resistent dagegen sind. Dass Resistenzen bei neuen Mitteln möglich sind, haben Erkenntnisse aus anderen Ländern bereits schon mehrfach gezeigt. Neben einem Wirkstoffwechsel sind außerdem noch viele weitere Punkte zu berücksichtigen, um Resistenzen zu vermeiden.

    • Kartoffelkäfer Bekämpfungsrichtwert: Durchschnittlich 10 kleine Larven je Pflanze

Alternative Bekämpfungsmöglichkeiten mit biologischen Präparaten

Für den Einsatz im biologischen Kartoffelnanbau stehen mehrere biologische Mittellösungen zur Verfügung. Allerdings muss im Vorfeld der Anwendung mit dem jeweiligen Mitgliedsverband geklärt werden, ob diese im Rahmen der Verbandsrichtlinien möglich ist. In dieser Reihe bringt beispielsweise das Produkt NeemAzal-TS vorzügliche Wirkungsgrade. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Produkt bei Temperaturen über 20°C unter deutlichen Wirkungsverlusten leidet und dass es maximal 2x eingesetzt werden darf, wobei zwischen den beiden Anwendungen ein Behandlungsabstand von exakt 7 Tagen eingehalten werden muss.

Durch die Notfallzulassung von Novodor FC für die Anwendung im ökologischen Kartoffelanbau wird es in diesem Jahr etwas einfacher. Der Vorteil von Novodor FC gegenüber dem Produkt NeemAzal T/S lag in der sehr guten Wirkung bei hohen Lufttemperaturen und in der Flexibilität der Aufwandmenge von 3,0 bis 5,0 Liter/ha je nach Larvengröße.

 

Tab. 2: Temperaturansprüche verschiedener (Kartoffel)Insektizide-2025


Die Lösungen zur biologischen Kartoffelkäferbekämpfung im Einzelnen

NeemAzal T/S ist laut Indikationszulassung mit max. zwei Anwendungen im Abstand von mind. 14 Tagen bis 31.08.2025 zugelassen. Ein großer Vorteil von NeemAzal T/S ist, dass seine Wirkung auf verschiedenen Stoffen beruht worurch nach heutigen Erkenntnissen auch in Zukunft keine Resistenzen zu befürchten sind. NeemAzal T/S ist ein standardisiertes Pflanzenschutzextrakt, das aus den Samen des tropischen Neembaumes gewonnen wird. Der Wirkstoff Azadirachtin dringt unmittelbar nach der Anwendung direkt in die Blätter ein und wird innerhalb der Pflanze teilsystemisch weitertransportiert. Nach 12 Stunden ist das Mittel regenfest. Die Einstellung der Fraßaktivität erfolgt dagegen deutlich langsamer. Bei großen Larven tritt sie erst nach 4 bis 5 Tagen ein. Anschließend verkümmern die Larven, da keine Häutungen mehr erfolgen. Zu beachten ist, dass die Wirkung bei hohen Temperaturen (>22°C) deutlich abnimmt. 

Praxistipp: Durch Beimischung von Rüböl - das aus den Samen erucasäurearmer Rübsensorten gewonnen wird - lässt sich die Wirkung des Produktes noch etwas verbessern.

 

Spruzit Neu (Wirkstoffe: Rapsöl+Pyrethrine) ist bis zum 31.08.2025 auch für den ökologischen Kartoffelanbau zugelassen. Das Produkt ist derzeit leider keine echte Alternative. Denn laut den Versuchsergebnissen der LTZ Außenstelle Donaueschingen sind mit diesem Produkt aufgrund des Resistenzproblems leider keine zufriedenstellenden Wirkungsgrade erzielbar.

 

SpinTor (Zulassung bis zum 15.03.2026) aus der Wirkstoffgruppe der Spinosad wurde vor etlichen Jahren in die BVL-Liste der zugelassenen Mittel für den Ökoanbau aufgenommen. Der Wirkstoff Spinosad besteht aus Stoffwechselprodukten eines natürlich vorkommenden Bodenbakteriums. Allerdings gibt es bis heute seitens der Bioverbände ökologische Bedenken, da das Produkt als bienengefährlich eingestuft wird! Bioverbände suchen gerade deshalb nach weiteren Alternativen. Der Handlungsbedarf ist groß, denn das Produkt ist auch im Haus- und Kleingarten einsetzbar. Inwieweit sich andere Lösungsansätze anbieten werden, ist aus heutiger Sicht mehr als fraglich.

 

Novodor FC mit dem Wirkstoff Bacillus thuringiensis subspecies tenebrionis, Stamm NB 176, hat für die Zeit vom 30. April 2025 bis zum 27. August 2025 eine Notfallzulassung (gemäß Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/200) für die Anwendung gegen Kartoffelkäfer in Kartoffeln (ökologischer Anbau) erhalten. Damit darf das Produkt im Freilandanbau bei Befallsbeginn ab Schlüpfen der ersten Larven des Kartoffelkäfers im Larvenstadium L1 bis L4 und im Kulturentwicklungsbereich BBCH 31 bis BBCH 79 - auch als Unterblattbehandlung – gespritzt werden. Die maximale Anzahl der Behandlungen für dieser Anwendung in der Kultur bzw. je Jahr wurde auf jeweils 4 festgelegt. Zwischen den einzelnen Behandlungen muss ein zeitlicher Abstand von mindestens 5 Tagen eingehalten werden. Die Aufwandmenge beträgt 5,0 Liter/ha in 400 bis 600 Liter Wasser/ha.

 

Praxistipps: Die optimale Anwendung der biologischen Präparate erfolgt in den Abendstunden und nach dem täglichen Bienenflug, um die volle Wirkung der meist lichtempfindlichen Präparate zu nutzen. Auch bei der biologischen Bekämpfung sind Minderwirkungen bei hochsommerlichen Temperaturen bei Pflanzenschutz-Anwendungen um die Mittagszeit nicht auszuschließen sondernr eher zu erwarten, da die Spritzbeläge zu schnell antrocknen und die Wirkstoffe dann ggf. nicht eindringen bzw. sich nicht ausreichend in den Pflanzenteilen verteilen können.

 

Zeitpunkt der Behandlung

Um maximale Wirkungsgrade zu erzielen, sollte erst dann behandelt werden, wenn ein Großteil der Kartoffelkäferpopulation als Junglarve die Kartoffelblätter besiedelt hat. Frühe Larvenstadien reagieren auf den Einsatz von Insektiziden weitaus empfindlicher. Zudem nehmen Junglarven durch ihre Fraßtätigkeit nach der Applikation noch höhere Wirkstoffmengen auf als Altlarven oder die äußerst robusten, adulten Käfer. Wissen muss man aber: „Die Behandlung der Eigelege ist komplett unwirksam.“

 

Die unterschiedlichen „SIMLEP“-Prognosemodelle helfen den exakt prognostizierten Spritztermin optimal auf seinen Flächen umzusetzen, die Wirkung der Produkte dabei voll zu nutzen und die Mittel damit ökonomisch wie ökologisch zum optimalen Zeitpunkt zu applizieren

Auch im ökologischen Kartoffelanbau sollte unbedingt erst dann behandelt werden, wenn ein Großteil der Kartoffelkäferpopulation als Junglarve die Kartoffelblätter besiedelt. Eine geeignete Hilfestellung bei der Bestimmung des optimalen Behandlungstermins bieten die SIMLEP-Prognosemodelle. Sie können kostenfrei – gefördert durch das MLR - auf der Internetseite des LTZ oder nach der formal notwendigen Anmeldung online direkt auch unter www.isip.de abgerufen werden.

Dort ist die entsprechende Prognose dann in verschiedene Teile unterteilt. Im Vordergrund stehen das Erstauftreten wie die weitere Populationsentwicklung des Kartoffelkäfers.



Screenshot der Prognosekarte

Die Anwender erhalten genaue Angaben zu folgenden wichtigen Entwicklungszeiträumen und Terminen:

  • Zeitraum des Massenauftretens von Eigelegen
  • Termin des Erstauftretens von Jung- und Altlarven
  • „Tag-genau“ den optimalen Behandlungstermin zur Bekämpfung der Kartoffelkäferlarven

In regionalen oder bundesweiten Übersichten lässt sich die Besatzsituation im eigenen Feld ganz gut abbilden und die prognostische Situation praxisnah einschätzen um daraus den optimalen Behandlungszeitpunkt herauszufinden.

 

Für diese Aussagen errechnet SIMLEP 1-Start das Erstauftreten des Kartoffelkäfers nach der Winterdiapause und in Folge dessen berechnet SIMLEP 3 die Populationsentwicklung des Kartoffelkäfers. Die genaue Besatzeinstufung lautet:

 

  • Grün = Es ist noch kein Erstauftreten von Käfern zu erwarten
  • Gelb = Ein Erstauftreten von Käfern ist möglich (1% erschienene Käfer)
  • Rot   = Es sollte eine Feldkontrolle auf erste Eigelege durchgeführt werden (95% erschienene Käfer) 

Mithilfe dieser entwicklungsrelevanten Kartoffelkäferparameter bekommt der Landwirt oder die Landwirtinn durch die orts- oder schlagspezifischen Nutzung des Prognosemodells ausreichend Zeit,  um die Durchführung einer Behandlungsmaßnahme zu planen und vorzubereiten und anschließend zielorientiert durchzuführen. 

Das Gute an der Prognose ist, dass auf einer Karte das wetterdatenbasierte Prognoseergebnis dargestellt wird und, dass man durch einen einzigen Klick seinen Standort für eine schlagspezifische Berechnung auswählen kann. Die Berechnungen gelten dabei immer für den konkreten Schlag, auf dem ein Erstauftreten der Eigelege festgestellt wurde. Der Start der Prognose erfolgt dann genau ab dem Tag an dem das Erstauftreten von Eigelegen ins System eingegeben wird. 

 

Mit den „SIMLEP“-Modellen lässt sich in der modernen Kartoffelanbaupraxis zielorientiert und optimal arbeiten. So zeigt sich das Erstauftreten in Form einer übersichtlichen Karte. Einen Schritt weiter geht’s dann über zur schlagspezifischen Berechnung der weiteren Populationsentwicklung bis hin zu einer übersichtlichen und klar strukturierten Darstellung des optimalen Einsatztermins und des möglichen Einsatzzeitraumes. So kann die höchstmögliche Effizienz der Mittelwirkung herausgekitzelt und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das unbedingt notwendige Maß insgesamt reduziert werden.

 

Zielführende Einsatzkriterien für einen effizienten, reduzierten und minimierten Einsatz von Insektiziden im Kartoffelanbau-



  • Durchführung eigener Feld- und Bestandeskontrollen
  • Einhaltung der amtlichen Bekämpfungsrichtwerte
    • Kartoffelkäfer: 10 kleine Larven je Pflanze
    • Blattläuse: 500 Blattläuse pro 100 Fiederblätter
  • Abwägung der Bekämpfungsnotwendigkeit mit Hilfe der kostenfrei nutzbaren „SIMLEP“-Prognosemodelle unter www.isip.de
  • die verschiedenen biologischen Wirkstoffgruppen nur einmal pro Saison einsetzen
  • abdriftmindernde Düsen einsetzen
  • an die Bestandesentwicklung angepasste Wassermenge einsetzen und genügend Wasser verwenden (Wasseraufwand biologische Mittel: 500 bis 600 Liter/ha) 
  • Bienenschutzvorschriften beachten und umsetzen