VITIFIT-Konferenz zu Gesunden Reben im Ökoweinbau
Am 2. und 3. April 2025 fand im FORUM Merzhausen in der Nähe von Freiburg im Breisgau, die Abschlusskonferenz des 2019 gestarteten Projekts VITIFIT – Gesunde Reben im Ökoweinbau durch Forschung, Innovation und Transfer statt. In dem Praxisforschungsprojekt haben sich alle führenden Einrichtungen der deutschen Weinbauforschung mit Öko-Anbauverbänden sowie Praxispartnern aus der Wirtschaft zusammengeschlossen, um Lösungen zur Bekämpfung des Falschen Mehltaus im Ökoweinbau zu erarbeiten. Insgesamt nutzten knapp 300 Fachleute und interessierte Praktiker aus In- und Ausland, die Möglichkeit sich mit den Wissenschaftlern des VITIFIT-Konsortiums auszutauschen.
Am ersten Tag der Konferenz drehte sich alles um pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis). Nach der Begrüßung durch Minister Peter Hauk vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) sowie Grußworten der parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurden die Forschungsergebnisse des Projekts präsentiert. Der erste Block behandelte dabei das Thema Pflanzenschutz bei Piwis. Dorottya Simon vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR) in Neustadt an der Weinstraße sowie Dr. Stefan Schumacher vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (WBI) zeigten das große Einsparpotential der Piwi-Rebsorten hinsichtlich der Anzahl von Pflanzenschutzmittelbehandlung auf. Gleichzeitig verdeutlichten beide Wissenschaftler, wie wichtig ein an die Rebsorte und den Infektionsdruck angepasster Pflanzenschutz ist, um den Ertrag und die Resistenz der Piwis zu schützen. Für die optimale Terminierung der Behandlungen kann die Piwi-Erweiterung des Prognosesystems VitiMeteo genutzt werden, welche im Rahmen des Projekts am WBI entwickelt wurde.
Der zweite Vortragsblock widmete sich der Vermarktung von Piwi-Weinen. Dr. Christoph Kiefer von der Hochschule Geisenheim (HGU) verdeutlichte, dass der Begriff Piwi bei über 80% der Konsumenten bisher nicht bekannt ist. Bestimmte Verbrauchergruppen wären aber durchaus bereit sich bewusst für diese Weine zu entscheiden und dafür etwas mehr Geld auszugeben, sofern ihnen die positiven Aspekte von Piwis bekannt wären. Eine Podiumsdiskussion mit dem Thema „PIWIs im Fokus – Marktpotenzial und Strategien“ moderiert von Nadine Poss (Bioland e.V.) rundete den Themenblock ab. Andreas Dilger (Winzer und Vorstandsvorsitzender PIWI Deutschland e.V.) und Martin Schmidt (Winzer, u.a. PIWI Kollektiv) teilten ihre Erfahrungen und Ansätze für eine erfolgreiche PIWI-Vermarktung mit dem Publikum. Ergänzt wurden sie dabei von Prof. Gergely Szolnoki (HGU), welcher neueste Ergebnisse aus der Konsumentenanalyse aufzeigte. Weine aus Piwis sind laut derer Erfahrung durchaus in der Lage neue Verbraucherschichten zu erreichen. Gerade umweltbewusste, eher junge Konsumenten, welche aus Gesundheitsaspekten eher auf Alkohol verzichten, könnten mit dem Thema Nachhaltigkeit angesprochen werden. Prof. Ulrich Fischer (DLR) rundete den ersten Tag mit einer unterhaltsamen Weinprobe mit dem Titel „Pioniere der Piwi-Weine“ ab. Bereits zuvor hatte er europäische Verbraucherpräferenzen aus Konsumentenstudien und die önologischen Besonderheiten von unterschiedlichen Piwi-Weine im Keller präsentiert. Den prickelnden Beginn der Verkostung machte ein entalkoholisierter Schaumwein, gefolgt von einem Crémant. Anschließend wurden sowohl leichte und fruchtige Weine für den Alltag, Raritäten wie Orangewein sowie Rotweine aus dem Premiumsegment präsentiert und verkostet. So zeigte sich, dass wenn die notwendige Erfahrung im Umgang mit den Rebsorten erst einmal vorhanden ist, Piwi-Weine hinsichtlich Vielfalt und Qualität ihren traditionellen Vertretern in nichts nachstehen.
Der Fokus des zweiten Tages lag auf dem Thema Pflanzenschutz. Hierbei wurden neue Ansätze, wie beispielsweise sogenannte CuCaps dargestellt. Dr. Stefan Schwab von der Universität Erlangen-Nürnberg erklärte, wie bei dieser neuen Kupferformulierung der Wirkstoff in einer Fettkapsel eingeschlossen wird. Auf der Pflanze wird so die Haftung verbessert und der Wirkstoff nur langsam freigegeben. Die Wirkung von Kupfer als Pflanzenschutzmittel konnte so in den deutschlandweit durchgeführten Freilandversuchen verbessert werden. Auch die Anwendung von sogenannten Komposttees wurde in VITIFIT genauer bertrachtet. Viele ökologisch wirtschaftende Betriebe setzen Komposttee in der Bekämpfung des Falschen Mehltaus ein. Da sich die eingesetzten Tees von Betrieb zu Betrieb und von Jahr zu Jahr unterscheiden, ist die Wirkung der Behandlung im Vorfeld kaum abzuschätzen. Mithilfe neuester genetischer Methoden wurden die Komposttees der verschiedenen Betriebe von Dr. Falk Behrens vom Julius Kühn-Institut in Siebeldingen hinsichtlich ihrer mikrobiellen Zusammensetzung untersucht. Einzelne Arten von Bakterien oder Pilzen, die eine antagonistische Wirkung auf den Falschen Mehltau haben, könnten so identifiziert werden. Zukünftig könnten diese Gegenspieler gezielt kultiviert und im Pflanzenschutz eingesetzt werden.
Neben den neuen Ansätzen in der Bekämpfung spielte auch der im ökologischen Weinbau seit 2013 nicht mehr zur Verfügung stehende Wirkstoff Kaliumphosphonat eine tragende Rolle. Den Themenblock hierzu eröffnete Bundesminister Cem Özdemir (BMEL) mit seinem Grußwort. Besonders lobte er die enge Zusammenarbeit im VITIFIT-Projekt mit der Weinbaupraxis. Prof. Randolf Kauer (HGU) legte die Geschichte von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau, von den ersten Versuchen an der HGU, über die Listung als Pflanzenschutzmittel im Jahr 2013, bis zum 2024 eingereichten Antrag bei der EU-Kommission zur Wiederzulassung von Kaliumphosphonat, dar. Den Abschluss der Veranstaltung markierte eine Podiumsdiskussion zum Thema Kaliumphosphonat. Moderiert von Ralph Dejas (Ecovin e.V.) zeigten der Winzer Claus Burmeister (Weingüter Heitlinger & Burg Ravensburg) sowie Dr. Uwe Hofmann (Eco-Consult) ihre Erfahrung mit Kaliumphosphonat, vor und nach dem Jahr 2013, auf. Sie verdeutlichten die existenzbedrohende Situation im Ökoweinbau seit dem Wegfall von Kaliumphosphonat, vorallem mit Hinblick auf die durch den Klimawandel zunehmenden Extremjahre. Christophe Ehrhart (Domaine Hurst, Turckheim / Elsaß und Biodyvin), Winzer aus Frankreich, legte die Wahrnehmung der Situation mit Blick von der anderen Rheinseite aus dar. Martin Ries (MLR) gab zusätzlich interessante Einblicke zur Diskussion in Brüssel und der Entscheidungsfindung im EU-Parlament hinsichtlich des eingereichten Dossiers zur Wiederzulassung des Wirkstoffs im Ökoweinbau.
Die VITIFIT-Konferenz zeigte, dass in den letzten sechs Jahren auf verschiedenen Ebenen Lösungen für Bio-Betriebe und solche die zukünftig den Umstieg hin zur ökologischen Bewirtschaftung beabsichtigen, herausgearbeitet wurden. In Kombination bieten sich vielfältige Möglichkeiten die Produktionssicherheit dieser Betriebe auch in schwierigen Jahren zu erhöhen. Mit dem Ende des Jahres 2025 endet das bisher größte Forschungsprojekt für den ökologischen Weinbau in Deutschland. Gefördert wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau mit einer Gesamtsumme von rund 8,3 Millionen Euro.
Weitere Informationen:
PIWI-Rebsorten: Eine nachhaltige Lösung für die Herausforderungen im Weinbau
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