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Rinder auf der Weide

Im Zeichen des Klimawandels: Die Weidesaison 2021



Dr. Jonas Weber und Uwe Eilers, Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), Aulendorf

 

Weidegang für Rinder ist wieder modern, denn er bietet für Mensch, Tier und Umwelt doch einige Vorzüge: reduzierte Arbeitsbelastung, hohe Grundfutterleistungen, weniger Kraftfutterbedarf, gesteigertes Tierwohl, hohe Verbraucherakzeptanz sowie Vorteile bezüglich Emissionen und Klimaschutz. Zudem ist die Weidehaltung im Sommer für Ökobetriebe teilweise verpflichtend. Auch für Betriebe die Weidemilch produzieren oder im Rahmen des Förderprogramms für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl des Landes Baden-Württemberg an der Maßnahme „Sommerweideprämie“ teilnehmen ist die Weidehaltung über einen gewissen Zeitraum im Jahr vorgeschrieben. In manchen Regionen im Südwesten hat die Weidesaison bereits begonnen. Was für die Saison 2021 vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels wichtig ist wird im folgenden Beitrag behandelt. 

 

Futterangebot zunehmend unsicher

Die vergangenen Jahre waren vielerorts durch Trockenheit im Sommer und einer reduzierten Wasserverfügbarkeit über das gesamte Jahr geprägt. Neben dem verringerten Futterangebot ergaben sich weitere negative Effekte auf den Grünlandflächen und Weiden. Im Herbst 2020 wurden im Südschwarzwald große Flächen durch den Engerling des Junikäfers geschädigt. Die Flächen (hierbei waren auch Weideflächen betroffen) waren mancherorts vollständig geschädigt. Tückisch hierbei ist, dass bei flüchtigem Hinsehen der Schaden durch Engerlinge leicht mit einem Trockenschaden verwechselt werden kann (Bild 1). Landwirte sind aufgerufen in der kommenden Wachstumsperiode vermehrt darauf zu achten, ob Engerlinge auf ihren Flächen vorkommen. Funde von Engerlingen sollten zur Untersuchung an das Landwirtschaftliche Technologiezentrum in Augustenberg (LTZ) gesendet und unter pflanzenschutz-insekten@ltz.bwl.de gemeldet werden.  


Die milden Winter der letzten Jahre habe zudem den Effekt, dass die Mäusepopulation vielerorts nicht mehr ausreichend dezimiert wurde. So treten nach dem Winter 2020/2021 vermutlich auch auf Weideflächen teilweise erhebliche Schäden durch Mäuse auf.

 

Egal ob ein Schaden auf der Weide durch Trockenheit, Engerlinge, Mäuse oder Trittschäden der Weidetiere entstanden ist; wichtig ist, dass die Lücken schnell wieder geschlossen werden. Bei großen Lücken empfiehlt sich die Nachsaat direkt im Frühjahr, bei kleineren Lücken, die über den Bestand verteilt sind, ist eine Nachsaat nach der ersten oder zweiten Nutzung (je nach Intensität) oder im Spätsommer zu empfehlen. Ziel ist es, dass das Saatgut und die jungen Keimlinge ausreichende Feuchtigkeit zur Verfügung haben. Auf die Verwendung von empfohlenen Sortenmischungen ist in jedem Fall zu achten.  

 

Ob auch im kommenden Weidesommer das Wasser zum limitierenden Faktor wird lässt sich leider nicht vorhersagen. Wichtig ist jedoch, rechtzeitig zu reagieren und die Bewirtschaftung anzupassen. Gräser speichern ihreReservestoffe in den Stoppeln. Diese Reservestoffe werden für den Wiederaustrieb insbesondere nach einer Belastung (wie z.B. Beweidung, Schnitt, Trockenheit) benötigt und sorgen dafür, dass sich ein Bestand schnell erholt. Daher ist es wichtig, dass der Pflanze ausreichend Stoppel (Reservestoffe) verbleibt. Deshalb soll bei Weidegang nicht zu tief verbissen und die Tiere müssen rechtzeitig abgetrieben werden, insbesondere wenn Trockenperioden vorhergesagt sind. Je nach Weidesystem unterscheiden sich hier die empfohlenen Mindesthöhen. Bei einer Schnittnutzung oder extensiven Weide wird eine Reststoppel von >7 cm empfohlen. Bei einem intensiven Weidesystem wie beispielweise der Kurzrasenweide können auch Pflanzen mit geringer Aufwuchshöhe wieder erfolgreich austreiben. Dazu ist eine intensive Begutachtung der Weideflächen notwendig. (Bild 2)

 

Weidegang bei Hitze

Ein Witterungsschutz zur Beschattung bei starker Sonneneinstrahlung und Hitze sowie gegen Niederschlag stellt ebenso wie die Tränke einen wichtigen Beitrag zum Weidekomfort dar. Bei bedecktem Himmel gehen die Kühe in der Regel sehr gerne auf die Weide und grasen in Ruhe. Auch bei Dauerregen sinkt die Weidenutzung normalerweise nicht so deutlich, wie bei starker Sonneneinstrahlung. Wenn ein gut ventiliertes Stallgebäude mit bequemen Liegeflächen vorhanden ist, werden die Tiere bei warmer Witterung eine deutliche Tendenz in Richtung Stall zeigen. In diesem Fall dient der Stall als Witterungsschutz zur Reduzierung der Hitzebelastung und damit dem Tierwohl. Auch wenn kein nutzbares Stallgebäude zur Verfügung steht, muss ein separater Witterungsschutz sämtlichen Tieren der Herde ausreichend Platz für die gemeinsame Nutzung zur Verfügung stellen. Als Richtwert sind für eine freie Liegefläche ca. 4,0 m² je Kuh einzuplanen. Alternativ können Bäume und Sträucher als natürlicher Witterungsschutz wertvollen Schatten oder auch Windschutz bieten.

Bei extremer Hitze bietet es sich möglicherweise an, auf Nachtweide umzustellen. An solchen Tagen ist speziell auf die Wasserversorgung zu achten. Aus Sicht des Tierwohls wird empfohlen generell für ein schnell erreichbares Wasserangebot auf der Weide zu sorgen. Bei einem Wasserbedarf von 80 bis 120 Litern je Kuh und Tag (bei großer Hitze auch deutlich mehr), kann eine mangelnde Verfügbarkeit von Tränkwasser schnell zu Leistungseinbußen und hohen Milchzellzahlen führen. Die Kühe sollten in einer Entfernung von maximal 150 m eine Tränke entweder im Stall oder auf der Weide erreichen können. Daraus ergibt sich ein maximaler Abstand zwischen zwei Tränkstellen von etwa 300 m. Die Weidetränken sind außerhalb des Weideeingangsbereichs und möglichst in der Fläche (nicht am Rand) und auf einer Erhebung (nie in einer Senke) zu platzieren. Dadurch sinkt die Trittbelastung und Grasnarbenschädigung sowie die Gefahr von Morastbildung an der Tränke. Gegebenenfalls muss der unmittelbare Bereich um die Tränke mit einer durchlässigen Befestigung wie zum Beispiel Gewebe, Kunststoffgitter (Bild 3) oder Rasengittersteine versehen werden.

 

Längere Trockenperioden oder Dauerregen erfordern möglicherweise eine gezielte Zufütterung, wenn die vorhandene Weidekapazität nicht ausreicht (siehe oben). Dies sollte mit Blick auf die stets extremer werdende Witterung zukünftig stärker berücksichtigt werden. Die Zufütterung kann im Stall oder auch auf der Weide zum Beispiel mit Hilfe von Futterraufen erfolgen (Bild 4). Über Futterraufen lassen sich Heu, Gras, Grassilage oder Stroh zufüttern. Wichtige Anforderungen an Weide-Futterraufen sind: Fassungsvermögen für einen Rund- oder Großballen, Beschickbarkeit mit dem Frontlader, Überdachung, stabile Metallkonstruktion zum Umsetzen mit dem Traktor, einfacher Zugang ans Futter für die Tiere, Befestigung des Standplatzes inklusive Aufenthaltsbereich der Tiere, um starke Trittschäden zu vermeiden.

 

Inzwischen gibt es zahlreiche Praxisbeispiele und Empfehlungen wie sich Weidegang mit automatischen Melksystemen kombinieren lässt. Eine sinnvolle Umsetzung bedeutet gewisse Herausforderungen im Management. Diesen stellen sich immer mehr Landwirte, vor allem im ökologischen Landbau. Sie wollen die Vorteile des automatischen Melksystems einerseits und die des Weidegangs andererseits nutzen.  

 

April 2021

Bild 1:   Durch Engerlinge des Junikäfers geschädigtes Grünland im Herbst 2020. Auf den ersten Blick leicht mit einem Trockenschaden zu verwechseln.

Bild 2:   Rinder auf der Weide prägen zunehmend wieder das Landschaftsbild.

Bild 3:   Befestigung des Tränkeplatzes mit Kunststoffgitter.

Bild 4:   Futterraufe, die vom Weg aus befüllt werden kann.

Autorenkontakt:



Dr. Jonas Weber

 07525 942- 361

jonas.weber@lazbw.bwl.de


Uwe Eilers

 07525 942 – 304

uwe.eilers@lazbw.bwl.de

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